Im Vorfeld ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin veröffentlichte Ursula von der Leyen die politischen Leitlinien für die kommende EU-Kommission (2024-2029).
Darin identifiziert sie drei zentrale Herausforderungen: Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimawandel. Davon abgeleitet sehen ihre Leitlinien vier thematische Prioritäten vor:
- Verteidigung und Sicherheit
- Nachhaltiger Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit
- Demokratie und soziale Gerechtigkeit
- Führend in der Welt und erfolgreich in Europa
Verteidigung und Sicherheit
Im Fokus stehen hier mehr Investitionen in die Verteidigung, eine wirksamere Bekämpfung organisierter grenzüberschreitender Kriminalität in Europa sowie der bessere Schutz der Außengrenzen. Dies soll insbesondere durch einen neuen EU-Verteidigungsfonds, aber auch durch stärkere europäische Behörden (Frontex, Europol) und eine engere Zusammenarbeit mit Partnern (NATO, Herkunftsländer) erreicht werden.
Nachhaltiger Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit
Von der Leyen spricht sich für die Beschleunigung der grünen und digitalen Transformation aus, etwa durch die gezielte Förderung von wirtschaftlichen Schlüsselsektoren, die Senkung der Energiepreise und den Abbau administrativer Hürden für Unternehmen. Wichtige Initiativen sind ein Clean Industrial Deal zur Dekarbonisierung der Industrie, ein neuer EU-Wettbewerbsfonds zur Investition in strategische Technologien (z.B. Bioökonomie, Clean Tech, KI und Raumfahrt) sowie die Überarbeitung des Vergaberechts (zur besseren Berücksichtigung europäischer Produkte in kritischen Sektoren).
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sehen vor allem einen neuen Europäischen Zivilschutzmechanismus, einen Klimaanpassungsplan und eine Wasser-Resilienz-Strategie vor.
Demokratie und soziale Gerechtigkeit
Die Kommissionspräsidentin drängt hier auf die konsequente Umsetzung der europäischen Sozialgesetzgebung, die Erhöhung der Mittel für den gerechten Übergang sowie eine stärkere Rolle für junge Menschen bei der EU-Kommission. Betont wird aber auch der Kampf gegen Desinformation und die Rolle von Bürgerräten in der EU. Die Auszahlung von EU-Mitteln soll zukünftig konsequent an die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten geknüpft werden.
Führend in der Welt und erfolgreich in Europa
Die Unterstützung der Ukraine hat für von der Leyen eine besonders hohe Priorität, auch weil der Konflikt als Teil der systemischen Rivalität mit China und Russland betrachtet wird. In diesem Licht kann auch die zukünftig stärkere Unterstützung von Beitrittskandidaten gesehen werden. Die Erweiterung soll leistungsorientiert erfolgen, sie wird gleichzeitig aber auch als geopolitischer Imperativ bezeichnet.
Im Bereich der Nachbarschaftspolitik soll insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Mittelmeerraum und dem mittleren Osten gestärkt werden. Handels- und Investitionsabkommen mit Drittländern in Asien, Afrika und Lateinamerika sind hingegen ein wichtiger Baustein des europäischen Ansinnens, Handels- und Rohstoffabhängigkeiten gegenüber einzelnen Ländern zu minimieren.
Mehrjähriger Finanzrahmen und institutionelle Reformen
Die EU-Kommission will im Frühjahr 2025 ihren Vorschlag für den zukünftigen mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen. Er soll sich stärker an den politischen Prioritäten der Union orientieren und weniger Einzelprogramme umfassen, auch um die Förderlandschaft zu vereinfachen. Die Mitgliedstaaten sollen jeweils einen Reformplan vorlegen, der Schlüsselreformen mit europäischen Investitionen verknüpft. Außerdem soll das EU-Budget mehr nationale und private Folgeinvestitionen auslösen (d.h. die EU-Kommission könnte in den Programmen niedrigere Ko-Finanzierungssätze vorsehen).
Vor dem Hintergrund anstehender Erweiterungen und der geopolitischen Herausforderungen, spricht sich von der Leyen für eine Änderung der Verträge aus, um die Handlungsfähigkeit der Union zu wahren. Sie will hierzu im weiteren Verlauf geeignete Vorschläge unterbreiten.